Heute steigen wir auf zur kontinentalen Wasserscheide beim
Cerro Amigos, der höchsten Erhebung der Region. Von hier oben soll man
einerseits einen Ausblick auf den Arenalsee und andererseits auf den Golf von
Nicoya haben. Den See sehen wir nicht (zu dunstig), aber den Pazifik schon. Der
1800m-Hügel ist „bepflanzt“ mit zahlreichen Fernsehmasten. Entsprechend hat es
eine Lehmpiste hinauf, die erneut alle Vorstellungen von Steilheit sprengt. Der
Wind produziert an diesen Anlagen eine fast gespenstische Geräuschkulisse. Der
Nebelwald lohnt auf jeden Fall den Aufstieg. Auch als Laien erkennen wir die unbeschreibliche
Vielfalt. Über 2500 Pflanzenspezies sollen hier gedeihen. Auch die Fauna lässt
nicht zu wünschen übrig: Man zählt 100 Säuger-, 400 Vogel-, 120
Reptilien/Amphibien-Spezies sowie eine Unmenge an Insekten. Die Arten sind
nicht etwa gleichmässig verteilt: An der Wasserscheide wird das Gebiet durch
den Passat in zwei unterschiedliche Zonen verschiedener Feuchtigkeit
eingeteilt, was grosse Unterschiede im Artenvorkommen bedeutet. Dies wiederum
lässt sich von uns Laien nicht erkennen.
|  | 
| Costa Rica hat eine höhere Biodiversität als die USA und Europa zusammen. | 
Hier oben gibt es, wie gestern genannt, zwei Dörfer, das in
den 1930er-Jahren entstandene Santa Elena und das 20 Jahre später besiedelte
Gebiet Monteverde. Santa Elena ist von Ticos aus dem ehemaligen
Goldgräberstädtchen Las Juntas (wo unsere Velos im Moment stehen), Monteverde
dagegen von einer Gruppe von 44 QuäkerInnen gegründet worden. Warum sind die
überhaupt so weit aufgestiegen? Fruchtbare Böden, genug Feuchtigkeit und ein
gemässigtes Klima sind ideale Faktoren für Land- beziehungsweise Viehwirtschaft.
Und warum gerade Quäker? Weil einige von ihnen im Kontext des Korea-Krieges den
Wehrdienst verweigerten, wurden sie inhaftiert, dann aber freigelassen.
Daraufhin zog eine Gruppe von ihnen in dieses abgelegene Bergland von Costa
Rica, das damals eben gerade die Armee abgeschafft hatte. Die Siedler bauten
hier oben rasch eine Milch- und Käseproduktion auf. Über Jahrzehnte stellte
dies den Haupterwerb der Bürger dar. Parallel dazu entdeckten Biologen das
Gebiet als Forschungsstandort. Sie empfahlen der Gemeinde, das Gebiet zu
schützen, was in den 70ern auch gelang. Zehn Jahre später veröffentlichte National
Geographic einen Beitrag über 
Quetzal-Sichtungen in Monteverde. (Wahrlich ein Prachtsvogel.) Aus heiterem
Himmel fielen Leute mit Stativen und Kameras ins Bergdorf ein, die sich auch
von den berüchtigten Zufahrtsstrassen nicht stoppen liessen. Innerhalb von
wenigen Jahren wurden die beiden Dörfer zu Touristendestinationen, was sie
völlig veränderte. Die Quäker leisteten zwar Widerstand gegen die weitere
Zunahme der Touri-Invasion,  indem sie
bis heute die Asphaltierung der Strassen verhinderten,  sie konnten aber dem Boom nichts entgegensetzen.
|  | 
| Vor lauter Bäumen... | 
Der ganze Tourismus da wird unter dem Label „Öko“
vermarktet. Letzlich dünkt uns das doch eine Masche. Zwar erachten wir die
riesigen Naturreservate, die von Privaten getragen werden, als bemerkenswerte
Einrichtung. Die Wiederaufforstung vieler ehemals gerodeter Flächen ist
einzigartig. Hervorzuheben ist der „Ewige Wald der Kinder“, ein durch weltweite
Spenden von Schulen ermöglichtes Schutzgebiet. In das mit 220 Quadratkilometern
Grösste der 3 Reservate führt bloss ein einziger, vergleichsweise kurzer
Erkundungspfad; abgesehen davon ist er völlig unzugänglich. Es fehlt hier jede lukrative
Infrastruktur. Daneben ist es letztlich doch stossend, wie die Region
touristisch ausgeschlachtet wird. Sobald man sich 10 Meter von der Strasse
entfernt, ist ein Ticket fällig. Wir passieren sogar einen „Waterfall: Se Vende“,
wo man sich also die Nutzungsrechte kaufen kann. In Santa Elena ist praktisch
jedes Haus ein Hotel, Restaurant, Bar, Touren-Büro oder eine „Art“-Boutique.
Immerhin: Die Quäker-Gemeinde kann bis heute ihre ursprüngliche Lebensweise
pflegen. Sie haben sich von der Kommerzialisierung nicht beeinflussen lassen.
Aus ihrer Käseproduktion ist eine bemerkenswerte Milchveredelungsfabrik
geworden! Die Glace, die wir heute dort geniessen, ist eine Wucht. 
|  | 
| "Wo man hinspuckt, keimt es." - MF. Homo Faber. | 
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen