Mittwoch: Die
muskulären Verspannungen lösen wir nicht in den Quellen, sondern auf dem Weg
dorthin im Bergfluss. Per Zufall entdecken wir einen Zugang zu einem der drei
Flüsse, die alle sehr viel Wasser führen. Das Becken ist ein grosser Jacuzzi
mit erfrischender Wassertemperatur. Zwar muss man aufpassen, dass es einen
nicht fortschwemmt, aber wenn man die richtige Position gefunden hat, massiert
einen das aufquirlende Wasser durch und durch. Der letzte Luxus vor den
Strapazen der kommenden zwei Tage.
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| Entspannend, erfrischend. | 
Donnerstag: Von
unserem Dschungelhotel aus erfolgt der Start um 5. Eine halbe Stunde brauchen
wir zum Parkeingang, wo wir erst einmal kräftig frühstücken. Der Wirt drückt
uns Hände und Daumen für den Aufstieg. Wir hoffen, das Basislager zwischen 2
und 4 Uhr zu erreichen, denn in der Literatur wird eine Dauer von 7 bis 14
Stunden für die 14.5Km mit 1900m Höhendifferenz angegeben. Auf dem Weg wird man
vorzüglich informiert: Jeder Kilometer ist mit der aktuellen Höhe
gekennzeichnet. Das ist zwar positiv, flösst aber auch Respekt ein: Es geht
sehr lange, bis wieder ein Informations-Pfahl erreicht ist. Auf den ersten 3km
geht es schon richtig zur Sache, was Steilheit und Wegbeschaffenheit betrifft
(sehr steinig). Anschliessend wechseln sich schöne Waldwege und steile Passagen
stetig ab. Bis Km 9 ist die Landschaft nicht sehr abwechslungsreich. Immer
Dschungel. Phasenweise hat der Weg die Konsistenz von Knetgummi und ist total
durchgeackert. Was für Vierbeiner gehen hier durch? (Sind es Rinder, sind es
Pferde?) Neben diesen Passagen sind jeweils Treppen angelegt, bestehend aus
Holzrondellen: Eine Art Baumstamm-Salami. Was die Vierbeiner betrifft, erhalten
wir nach Km 7 eine erste Anschauung: Wir treiben vier Rinder vor uns her.
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| Flüchtlinge? | 
 
In einer Stunde legen wir konstant 3Km zurück. Als wir die
3000m-Marke erreichen, gibt der Wald die Sicht frei auf den Pazifik und auf die
bis oben bewaldeten nahen und fernen Hügelzüge. Das hat nicht damit zu tun,
dass hier oben der Wald aufhört. Er scheint vor Jahrzehnten einem Grossfeuer
zum Opfer gefallen sein. Dafür zeugen folgende Phänomene: Herumliegende,
angekohlte Eichenstämme und ein inzwischen zwei bis vier Meter hoher
Sekundärwald, aus dem kahle Baumleichen wie Finger herausragen. Ein
faszinierendes Bild.
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| Die Streckenmarkierungen lassen nicht zu wünschen übrig. | 
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| Der einsame Zeuge einer Brandkatastrophe. | 
Um 11 sind wir beim Basiscamp, das aus zwei langen, barackenähnlichen
Gebäuden besteht. Wir werweissen, welcher der ringsum aufragenden Gipfel der
Chirripó ist. Bei der Ankunft sind wir ziemlich müde, aber nicht erschöpft. In
der Rezeption bekommen wir einen Dämfer: Keine Begrüssung, lieblose Abfertigung
und – bekommen gesagt, dass hier keine Gaskocher vermietet werden. (Unsere
Informationen lauteten dahingehend, dass hier oben alles, was man zum Kochen benötigt,
anmieten kann. Entsprechend unser Einkaufszettel vor der Tour.) Sie nehmen zur
Kenntnis, dass wir falsch informiert wurden, bleiben jedoch stur. Keine
Benutzung der Angestelltenküche. That’s my stove, sagt die Köchin. Wir sind
verärgert, weil wir uns nicht vorstellen können, ohne warme kohlenhydratreiche
Mahlzeit um 3 Uhr nachts den letzten Aufstieg in Angriff zu nehmen. Aus dieser
Stimmung heraus entscheiden wir, den Chirripó noch heute Nachmittag zu
besteigen. Nach einem improvisierten Z’Mittag (kalte Tomatensauce aus dem
Beutel, eine Büchse Thon, ein Rüebli und eine Nüssemischung) brechen wir also
ein zweites Mal auf.
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| Wo ist der Chirripo? | 
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| Endlich! | 
 
„Nur“ noch 5Km Distanz und 500m HD. Eigentlich. Denn die
Höhe vermindert unsere Leistungsfähigkeit deutlich. Immer noch sind wir im
Ungewissen, welcher Gipfel der Chirripó ist. Der erste, den wir dafür hielten,
ist es nicht. Noch einmal eine erneut veränderte Landschaft. Eine Hochebene mit
Seen, Felsen, Buschwald. Nach insgesamt 19Km erreichen wir einen Pass. Erstmals
sehen wir unser Ziel, die Pyramide des Chirripó. Die letzten 200m werden
gekraxelt. 14 Uhr 10 sind wir oben. Es hat sich gelohnt. Wir sehen zwar weder
den Pazifik, noch die Karibik (Wolken), aber die Rundsicht ist gewaltig. 3820m!
Zurück in der Hütte leihen uns zwei andere Reisende ihren
Kocher, so dass wir doch noch unsere Hörnli al Dente hinkriegen. Wir geniessen
es doppelt! Im Gebäude ist es bitterkalt. Die Leute tragen Mützen, Anoraks,
Handschuhe. Man könnte meinen, es wäre Winter.
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| Auf dem höchsten Punkt Mittelamerikas. | 
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| Menschenscheu kann sich das Vögelchen auf dieser Höhe nicht leisten. | 
Freitag: Die
Nacht ist ziemlich kalt. Wir tragen bei 10 Grad in unseren Schlafsäcken zwei
Schichten Thermowäsche und einen Pullover, Zeno zusätzlich ein T-Shirt. Gerold
hat wohlig warm, während Zeno die zweite Nachthälfte frierend wachliegt. Obwohl
man dann den Sonnenaufgang bewundern könnte, sind wir gottenfroh, nicht um 3
Uhr aufstehen zu müssen, um im Dunkeln aufzusteigen. Zum Z’Morge machen wir Porridge
und heisse Pulvermilch und machen uns um 20 nach sieben auf den Abstieg. Draussen
stehen sechs Packpferde, bepackt mit grossen, weissen Nylonsäcken. (Die
mittelamerikanische Verpackung schlechthin.) Obwohl wir sehr zügig unterwegs
sind, sind erst um viertel vor zwölf unten im Dorf. Nach unseren Überlegungen
müsste dort ungefähr um diese Zeit ein Bus fahren. Tatsächlich! Bei unserer
Ankunft steht er bereits dort. Zeno rennt zum Hotel, holt die Packtaschen, wir
steigen ein, der Bus fährt los. 
Um zwei Uhr sind wir zurück in San Isidro, zehn Minuten
später checken wir im Hotel Chirripó ein. Hier erleben wir wahre
Gastfreundschaft! Wir sind in einem idealen Quartier (ringsherum diverse
Restaurants) und bekommen ein zwar einfaches, aber helles und sehr sauberes
Doppelzimmer für einen Super-Preis. Der Rest des Tages: Verpflegen, schreiben,
ausruhen.
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| Sie sind scheuer als die Vögel. | 
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| Abendstimmung vom Basiscamp aus. | 
Fazit: Der
Chirripó ist der buchstäbliche Höhepunkt der Reise. Die Velotour hat uns
offenbar nicht geschwächt, sondern für die 40Km-Bergtour fit gemacht. Trotz
suboptimalem Schuhwerk – Sportschuhe mit Profilsohle – sind unsere Füsse und
Beine unversehrt. Auch Zenos Knie hat durchgehalten! Morgen fahren wir weiter.
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| Darum macht man solche Touren. | 
 
 
1 Kommentar:
Gratulation zu eurer Fitness und der wunderbaren Beschreibung eurer Erlebnisse.
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