Montag, 8. September 2008

Von San Francisco auf die Lenzburg

Auch SF ist wenig älter als 150 Jahre. Ein Nest von wenigen hundert Einwohnern explodierte ab 1849 mit dem Beginn des Goldrausches zur Stadt, der rasch der Platz ausging. Land bzw. Baugrund gewannen sie auf ebenso unkonventionelle wie trügerische Weise: ungebrauchte Schiffe wurden mit Schutt gefüllt und versenkt. Das die darauf gebauten Häuser dann beim Erdbeben 1906 in sich zusammenkrachten, versteht sich von selbst.

In der Goldrausch-Zeit trafen hier auch zwei unkonventionelle Leute aufeinander: Emilie Kammerer aus Zürich und Friedrich Wilhelm Wedekind aus Deutschland. Sie war nach dem Tod ihres Vaters, des Erfinders des Zündholzes, auf abenteuerliche Weise über den Atlantik und die Westküste Südamerikas nach SF gekommen und hatte ihre ausgebildete Stimme als ihr Kapital eingesetzt. Sie heiratete einen Wirt und trat in dessen Kneipe als Sängerin auf. Ihr begegnete der Arzt F. W. Wedekind, der nach der 48er-Revolution nach Amerika ausgewandert war. Er befreite die jüngere Emilie aus ihrer unglücklicheren Tingeltangelmädchen und als Ehefrau eines ungeliebten Mannes - und heiratete sie. Nach der Geburt der ersten Kinder kehrte die Familie zurück nach Deutschland und übersiedelte schliesslich auf das Schloss Lenzburg. (Der Kanton Aargau hatte es in einer deutschen Zeitung zum Verkauf ausgeschrieben.) Einer ihrer Söhne, Frank(lin), wurde dann zu einem der bedeutesten deutschen Dramatiker. Er schrieb u.a. die Kindertragödie "Frühlings Erwachen" und die "Lulu"-Tragödie. (Das Schloss war übrigens für das Ehepaar gut gewählt, denn im weitläufigen Gebäude konnten sie sich aus dem Wege gehen und mussten sich nur zu den Mahlzeiten treffen. Die beiden gänzlich verschiedenen Charaktere lebten in beständigem Streit miteinander.)

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