Der Peiffer State Park, wo wir vom Sonntag auf Montag campierten, liegt kurz nach Big Sur, das eigentlich kein richtiges Dorf ist. Es gibt ein Restaurant und die Henry Miller Memorial Library*, aber keinen Bürgermeister. Es liegt auch nicht an und über der Küste, sondern in einem grünen, dicht bewaldeten Tal. Weil es neben unserem Zelt wieder Redwoods gab, relativ junge allerdings, fühlten wir uns sofort heimisch. Dazu trugen auch Jen und Mike, das junge Paar aus Vancouver bei, von denen wir schon früh im Blog berichtet haben (weil sie weniger lang in SF waren, haben sie wieder aufgeholt). Seit ein paar Tagen haben sie dieselben Etappenziele wie wir, so dass wir jeweils auf der gleichen Campsite zelten. Sie haben sich auf einer Velotour kennengelernt, sind damals 10 Wochen gemeinsam unterwegs gewesen und machen nun nach der Hochzeit die grosse Tour: von Vancouver bis nach Feuerland. Ein Jahr Zeit nehmen sie sich dafür. Mike ist übrigens ebenfalls eine Art Statistiker wie Manuel, hat eben in Boston doktoriert. Auf ihn wartet nach der Reise eine Lehrtätigkeit an der Universität von British Columbia (während Manuel am 1. Oktober an der ETH zu arbeiten beginnen wird).
Ein weiterer Radfahrer verbrachte zweimal hintereinander die Nacht ebenfalls in unserer Nähe. In Monterey nahmen wir noch nicht besonders Notiz von ihm. Es fiel uns lediglich auf, dass er kaum Gepäck dabei hatte und während des Zeltaufbauens laut redete. Dass er kein Handygespräch führte, wurde am Sonntag Abend klar. Er suchte Feuerholz - was nicht erlaubt ist; Campfires sind überall nur mit gekauftem oder mitgebrachtem Firewood gestattet -, machte eine hochloderndes, schnellabbrennendes Feuer - und redete ständig, ja, er deklamierte in grosser Lautstärke eine Art Schimpfrede. Jedes dritte seiner Wörter war "fuck" oder "fucking". Das ging so endlos, begann aber erst zu nerven, als er seine Rede in der Dunkelheit im Zelt fortsetzte. Um Mitternacht herum dann Lärm von knackendem Holz. Waren da erneut Waschbären am Lebensmittelkasten? Nichts wie raus, denn hier konnten wir während zwei Tagen nur beschränkt (und überteuert) einkaufen, durften uns also auf keinen Fall das Essen stehlen lassen. Aber es waren keine Waschbären. Der Mann war erneut am Feuermachen und heftigem Reden. Mir, G., reichte es. Ich rief im zu, was er da eigentlich tue. Nach einem Moment der Ruhe tönte eine Stimme herüber: "I am camping." Auf die Rückfrage, warum er das so laut tue, folgten unartikulierte Laute und böses Gemurmel. Dann herrschte immerhin eine halbe Stunde Ruhe. Beim Frühstücken war dann wirklich Stille. Die Erschöpfung nach der langen Rede schien ihm nun doch Schlaf geschenkt zu haben. (Am Dienstag begegneten wir ihm übrigens erneut, diesmal unterwegs. 400 m vor uns hörten wir ihn bereits deklamieren, stehend, mitten auf der Strasse. Als wir an ihm vorbeifuhren und ihn grüssten, nickte er nur stumm.)
* Henry Miller hatte hier eine Zeit lang eine Hütte. In seinem Buch "Big Sur und die Orangen des Hieronymus Bosch" setzte er der urtümlichen, aber auch mediterranen Küstenlandschaft ein Denkmal.
 
1 Kommentar:
Lieber Manuel
Erst jetzt glaube ich realisiert zu haben, dass Du dein Studium an der ETH inzwischen abgeschlossen hast. Wenn dem so ist, -nachträglich-noch herzliche Gratulation. Es ist toll, wenn man vor dem Berufsleben noch so etwas erleben kann, dafür beneide ich Euch fast ein bisschen. Ich habe das damals nicht gemacht, sondern bin gleich nach Abschluss ins Berufsleben eingestiegen. Das habe ich das eine oder andere Mal etwas bereut. Jetzt bin ich aber pensioniert und hätte damit alle Zeit der Welt, bringe aber kaum mehr die Initiative auf, um bei einem solchen Unternehmen mitzumachen oder es gar zu organisieren.
Ist eigentlich euer ganzes Reisetagebuch noch vollständig im Internet enthalten, sodass man alles ausdrucken könnte?
Ganz herzlich und weiterhin unfallfreie Fahrt
Max Spörri
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